Hochgeachteter Herr Landesstatthalter
Hochgeachtete Damen und Herren der administrativen und richterlichen Behörden
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Ich darf Sie heute zum siebten und letzten Mal als Landammann hier im Ring zur Landsgemeinde des Kantons Glarus begrüssen und willkommen heissen. Einmal mehr sind wir als stimmberechtigte Glarnerinnen und Glarner aufgerufen, gemeinsam Entscheidungen für unseren Kanton zu treffen. Es werden unterschiedliche Meinungen aufeinander prallen und wir werden wie gewohnt – bei aller inhaltlichen Leidenschaft – fair miteinander umgehen, engagiert und verantwortungsvoll Gebrauch von unseren Rechten machen.
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Mit jedem neuen Jahr buhlen neue Trends und Schlagwörter um unsere Aufmerksamkeit – gegenwärtig beispielsweise Begriffe wie «Cloud Computing», «Big Data», «Industrie 4.0» oder «digitale Transformation». Ich muss zugeben, ohne eine Recherche bei Google kann ich mir darunter nicht viel vorstellen. Manchmal ist mir gar etwas unwohl, in einer Welt zu leben, die ich nicht immer ganz verstehe.
Unter dem Schlagwort «Flüchtlingskrise» dagegen verstehen wir alle auch ohne Google etwas. Neu hat sich das Schlagwort «Willkommenskultur» in unseren Wortschatz eingebürgert. Für die einen mag es ein Reizwort sein, für andere der Ausdruck einer Gesellschaft, die offen neue Mitmenschen annimmt.
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Es ist eine grosse Herausforderung, einen Bogen über all das zu spannen, was uns beschäftigt: von globalen Krisen, zu einschneidenden Veränderungen und Verunsicherungen im beruflichen Umfeld bis hin zu stetig wechselnden Trends in der Freizeit und im Alltag. Wir sind gefordert, Veränderungen und Neuerungen anzunehmen. Unsere jüngeren Mitlandleute hier im Ring können dies vermutlich unbefangener und voller Neugier. Andere stehen der Zukunft, technologischem Fortschritt oder neuen Mitmenschen vielleicht etwas skeptischer gegenüber, einzelne sogar ablehnend.
Die Zukunft ist keine sauber von der Gegenwart abgelöste Utopie. Sie wird aber sicherlich anders sein als das Heute. Nach dem gegenwärtigen Verständnis ist sie digital, daran besteht kaum Zweifel. Anfang Jahr wurde uns die «Vierte industrielle Revolution» angekündigt. Damit ist nicht die Wiederbelebung der von der Südostschweiz totgesagten Glarner Industrie gemeint, sondern die Verschmelzung von Industrie und Informatik grundsätzlich, die Umstrukturierung unserer Arbeitswelt. Es werden Arbeitsgattungen verschwinden, aber auch neue entstehen. Darauf müssen wir uns und vor allem unsere Jungen vorbereiten.
An der Landsgemeinde 2006 hat eine Mehrheit unter uns mit einem auch nach zehn Jahren noch revolutionären Entscheid die radikalste Gemeindefusion der Schweiz angestossen. Ob dies nun in vollem Bewusstsein geschehen ist oder nicht, spielt heute keine Rolle mehr. Wir haben uns damals auf etwas Neues, Unbekanntes eingelassen. Und das nicht zu unserem Nachteil.
Bei grosser Verunsicherung neigen wir vielleicht dazu, Neuerungen bremsen oder ignorieren zu wollen. Entwicklungen lassen sich aber nicht aufhalten. Zweifellos müssen wir uns deshalb sowohl auf neue Technologien als auch neue Mitmenschen einlassen. Wenn wir Neues mit Mut, Offenheit und weniger Berührungsängsten annehmen, wird sich dieses sogar eher früher als später als Gewinn erweisen.
Falls Sie in meiner Rede die Zerrissenheit zwischen dem Festhalten an Bewährtem und dem Wissen, dass sich der Wandel und die Zeit nicht aufhalten lassen, spüren, haben Sie mich richtig verstanden. Ein Zitat des Musikers Herbert Grönemeyer hat mich berührt: «Wir sind nicht in die Welt hinausgegangen. Jetzt kommt die Welt zu uns». Sie denken an die Flüchtlingskrise. Das mag er damit in erster Linie gemeint haben. Ich möchte Ihnen mit diesem Satz aber grundsätzlich mit auf den Weg geben: Seien sie offen für Neues oder zumindest offen genug, Neuerungen zu diskutieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass uns die Mitgestaltung und Teilhabe an der Veränderung weiter bringt als Verschlossenheit. Die Zukunft soll uns nicht unvorbereitet einholen.
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Es ist mir ein grosses Bedürfnis, Ihnen heute dafür zu danken, dass Sie mir das Privileg dieses Amtes dreimal haben zuteilwerden lassen. Wer mich kennt, weiss, dass mir das Amt des Landammanns besonders viel Freude gemacht hat. Nicht nur, weil ich dank dieses Amtes vielen interessanten Menschen begegnen durfte, sondern vor allem wegen unserer Landsgemeinde. Mit Ihnen diese Tradition lebendig zu halten, war mir jedes Mal eine ausserordentliche Ehre, manchmal anstrengend und bei einigen Gelegenheiten sogar ein wenig Nervenkitzel. Eine Versammlung wie diese zu leiten, ist eine grosse Verantwortung und ein unbeschreibliches Erlebnis. Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir entgegengebracht haben.
In ein paar Minuten werde ich dieses Amt an meinen Nachfolger weitergeben, im Wissen, dass er dieses Amt vorbildlich und mit Bedacht ausüben wird. Ich wünsche ihm viel Freude und grosse Befriedigung in dieser Aufgabe. Und sollte nebst dem Landammann und dem Papst auch Felix Blumer, unser Landsgemeinde-Wetterprophet, in seinem Urteil unfehlbar sein, wird mit diesem Wechsel bald wieder die Sonne scheinen.
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
An der heutigen Landsgemeinde haben wir auch eine wichtige Ersatzwahl für unsere kantonale Justiz vorzunehmen. Nach 24-jähriger Amtszeit hat Kaspar Marti, Engi, seinen Rücktritt eingereicht. Kaspar Marti wurde von der Landsgemeinde 1992 in die Zivilabteilung des Kantonsgerichts gewählt. Er gehörte bis Mai 2004 der II. Zivilkammer des Kantonsgerichts an, dann der I. Zivilkammer. Seit Mai 2007 ist er Vizepräsident der II. Zivilkammer. Seit dem Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung am 1. Januar 2011 amtete er auch als Einzelrichter des Zwangsmassnahmengerichts. Er tritt als Kantonsrichter auf Ende Juni 2016 zurück.
Kaspar Marti danken wir an dieser Stelle ganz herzlich für die langjährige hervorragende Tätigkeit für Land und Volk, und wir entbieten ihm für den kommenden Lebensabschnitt unsere besten Wünsche.
Lassen Sie uns jetzt raten, mindern und mehren in Freiheit und Verantwortung. Und so hoffen wir, dass es uns auch heute gelingt, die traktandierten Wahl- und Sachgeschäfte zum Nutzen und Gedeihen unseres Kantons zu treffen. In diesem Sinne stelle ich Land und Volk von Glarus unter den Machtschutz Gottes und erkläre die ordentliche Landsgemeinde 2016 als eröffnet.