Traktandum 1

Eröffnung der Landsgemeinde

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Hochgeachtete Frau Landesstatthalter
Hochgeachtete Damen und Herren der administrativen und richterlichen Behörden
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
 
Zur diesjährigen Landsgemeinde begrüsse ich Sie ganz herzlich!
 
Wir sind heute wieder unter freiem Himmel versammelt, um miteinander als Glarnerinnen und Glarner zu raten, zu mindern und zu mehren.
 
Der erste Sonntag im Mai ist für uns unbestrittenermassen der politische Höhepunkt des ganzen Jahres.
 
Und so zelebrieren wir unsere Landsgemeinde schon seit über 600 Jahren.
 
Handelt es sich somit um einen alten Zopf? Nein, genau das Gegenteil ist der Fall! Dies belegen nicht nur die wegweisenden Entscheide, die die Landsgemeinde gerade in jüngster Zeit gefällt hat, sondern auch das stetig wachsende Interesse von unseren Gästen, im Speziellen von Politikerinnen und Politikern, aber auch von Medienschaffenden aus dem In- und Ausland.
 
Gerade ein Blick über die Grenze zu unseren Nachbarländern zeigt, dass sich die Politik zunehmend dem Volk entfremdet und sich so eine gewisse Unzufriedenheit beim Stimmvolk, den Wählerinnen und Wählern, breit macht. Auch bei uns in der Schweiz besteht stets die Gefahr, dass Amtsträger über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg entscheiden, ohne auf die Meinung des Volks Rücksicht zu nehmen.
 
Achten wir also darauf, dass die Politik, aber auch die Gerichtsbarkeit, nicht abhebt und ihre Aufgaben nach dem Willen und zum Wohl der Menschen erfüllt.
 
Was für eine herrliche und faszinierende Option bietet unsere Landgemeinde, die es ermöglicht, die Stimme jedes Wahlberechtigten zu hören. Was für ein Privileg, dass jeder von uns seine Meinung frei äussern kann!
 
In der heutigen Gesellschaft stehen vielfach Konsumorientierung und Eigeninteresse, und immer weniger das Wohl des Nächsten im Vordergrund.
Dank neuesten Kommunikationsmitteln ist es einfacher, sich mit wildfremden Menschen auf einem anderen Kontinent auszutauschen, als das Gespräch mit dem eigenen Nachbarn zu führen.
 
Ganz anders hier und heute! Im Landsgemeindering ertönt das „Wort isch frii“ und die Menschen sagen effektiv frei, was sie denken und zeigen offen, wofür sie stimmen.
 
Und die Gemeinschaft hört den Rednern bei ihren Ausführungen zu und respektiert ihre Voten. Gerade Auswärtige staunen vielfach über die Wortgewandtheit und den Mut der Glarnerinnen und Glarner, die sich zu Wort melden, aber auch über den Rückhalt und den Anstand, den sie dabei erhalten.
 
Das Glarnerland stellt mit seiner Landsgemeinde also einen wunderbaren, farbigen Mosaikstein in der politischen, kulturellen und sprachlichen Vielfalt der Schweiz dar. Auf dies dürfen und sollen wir stolz sein!
 
Auch die Schweiz selber ist ein Farbtupfer im globalen Umfeld. Wie unser Glarnerland im Vergleich zu anderen Kantonen, besticht die Schweiz zwar nicht durch ihre Grösse, wohl aber durch ihre Werte und Haltung. Dies in einer Zeit, in der kleinere Staaten immer weniger als ebenbürtige Partner angesehen werden und wo grosse Staaten oder Staatengebilde vermehrt Macht und Stärke demonstrieren - sei es finanziell, politisch oder militärisch, wie das aktuellste Beispiel aus der Ukraine zeigt.
 
Seien wir stolz auf unsere Werte, seien wir stolz auf das, was wir sind und auf das, was wir haben!
 
Hochvertraute liebe Mitlandleute
 
Wir leben in einer Welt, in der wir Operationen am ungeborenen Kind durchführen oder Sonden auf den Mars schicken, und trotzdem überraschen uns Naturgefahren, religiöse Eiferer oder blindes Machtgebahren immer wieder aufs Neue.
 
Wir leben in einer Welt, in der bald jeder Schritt mittels Formularen und Richtlinien vorgegeben ist. In einer Welt, in der alles reglementiert ist, die NSA alles hört und Satelliten jeden Meter auf dieser Erde überwachen – und trotzdem ein riesiges Passagierflugzeug mit über 200 Menschen einfach spurlos verschwinden kann.
 
All dies zeigt, dass wir trotz unglaublichem technischem Fortschritt - oder gerade deswegen - immer verletzlicher geworden sind. Immer mehr sind wir abhängig von Informationstechnologien, von Elektrizität, Erdgas oder Erdöl.
 
Lassen wir uns aber deswegen nicht erschüttern, sondern schreiten wir mit Mut und Gottvertrauen voran! Eigenschaften, die uns Glarnerinnen und Glarner seit jeher eigen waren und auch die heutige Landsgemeinde prägen sollen!
 
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
 
Bevor wir uns der Behandlung der Landsgemeindegeschäfte zuwenden, wollen wir einer verstorbenen Persönlichkeit gedenken. 
 
Am 5. Oktober verstarb unerwartet alt Regierungsrat und Ständerat Pankraz Freitag. In Dankbarkeit erinnern wir uns an ihn und seine engagierte Arbeit für unseren Kanton. 
 
Pankraz Freitag diente unserem Kanton von 1994 bis 1998 als Landrat. Ab 1998 leitete er als Regierungsrat die Baudirektion und nach der von ihm mitgestalteten Verwaltungsreorgani-sation bis 2008 das Departement Bau und Umwelt. Als er das Amt als Landesstatthalter ausübte, wurde er in den Ständerat gewählt, dem er seither angehörte. In der Kleinen Kammer des Bundesparlaments arbeitete er in verschiedenen Kommissionen mit, insbesondere führte er die Finanzkommission des Ständerates. Wir behalten Pankraz Freitag nicht nur als engagierten Politiker, sondern auch als begeisternden Mathematiklehrer und verlässlichen Menschen in ehrender und dankbarer Erinnerung!
 
Die diesjährige Landsgemeinde steht auch im Zeichen von personellen Veränderungen.
 
Frau Landesstatthalter Marianne Dürst Benedetti wird den Regierungsrat auf eigenen Wunsch verlassen. Seit 1998 hat sie diesem Gremium angehört und das Departement Volkswirtschaft und Inneres geleitet. In ihrer Amtszeit hatte sie viele aufwändige Dossiers und schwierige Aufgaben zu bewältigen. Dank enormem Engagement und Durchhaltewillen löste sie diese Aufgaben mit Bravour. Herausgehoben werden soll an dieser Stelle die Gemeindestrukturreform, die in der ganzen Schweiz für Furore sorgte. Marianne Dürst wird auch als erste Frau Landammann in die Geschichte eingehen. Sie übte diese Funktion in den Jahren 2008 bis 2010 aus. Liebe Marianne, wir wünschen Dir für Deine Zukunft alles Gute!
 
Auch Frau Regierungsrätin Christine Bickel wird aus dem Regierungsrat ausscheiden. Nach 12 Jahren im Landrat, welchen sie im Jahr 2003 auch präsidierte, führte sie seit 2010 engagiert und erfolgreich das Departement Bildung und Kultur. Liebe Christine, auch Dir wünschen wir für die Zukunft nur das Allerbeste!
 
Mit Marianne Dürst und Christine Bickel verlieren wir im Regierungsrat zwei liebe Kolleginnen, doch wir gewinnen Marianne Lienhard und Benjamin Mühlemann, die das Gremium neu komplettieren.
 
Nachdem Yves Rüedi seit 2012 nebenamtlich am Bundesgericht arbeitete, wurde er am 11. Dezember 2013 zum ordentlichen Bundesrichter gewählt und wird als Obergerichtspräsident des Kantons Glarus und Präsident der Anwaltskommission und der Anwaltsprüfungskommission des Kantons Glarus ausscheiden. Dank seiner Kompetenz und Einsatzbereitschaft schafft er bereits in jungen Jahren den Sprung nach Lausanne, was uns alle stolz macht. Sie werden an der heutigen Landsgemeinde eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für das Präsidium des Obergerichts wählen. Lieber Yves, wir wünschen Dir für Deine berufliche und private Zukunft alles Gute!
 
Aus gesundheitlichen Gründen hat Ständerat This Jenny sein Amt in Bern niederlegen müssen. Mit This Jenny verliert nicht nur der Kanton Glarus, sondern die ganze Schweiz einen profilierten Politiker. Seine politischen Stationen waren: 1986 – 2000 Gemeinderat Glarus, 1992 – 2003 Präsident der SVP des Kantons Glarus, 1994 – 2014 Landrat sowie 1998 – 2014 Ständerat. In der kleinen Kammer hatte er Einsitz in den Kommissionen „Verkehr und Fernmeldewesen“, „Umwelt“ und „Finanzen“. Zudem gehörte er der NEAT-Aufsichtsdelegation an.
 
Dank seiner grossen Erfahrung, seiner sympathischen und gewinnenden Art, aber auch durch seine pointierten und geradlinigen Aussagen findet er breite Akzeptanz – und dies weit über die Parteigrenze hinaus. Lieber This, wir alle wünschen Dir von ganzem Herzen viel Kraft, Durchhaltewillen und Erfolg!
 
Mit dem heutigen Tag endet meine Amtszeit als Landammann. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das grosse Vertrauen, das Sie mir entgegengebracht haben und das ich in dieser Zeit immer spüren durfte.
 
Halten Sie dies auch so mit meinem Nachfolger!
 
In diesem Sinne stelle ich Land und Volk von Glarus unter den Machtschutz Gottes und erkläre die ordentliche Landsgemeinde 2014 als eröffnet.