Traktandum 1

Eröffnung der Landsgemeinde

Marianne DürstHochgeachteter Herr Landesstatthalter
Hochgeachtete Damen und Herren der administrativen und richterlichen Behörden
Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Wir sind heute wieder auf dem Ring in Glarus versammelt, um miteinander als Glarnerinnen und Glarner zu raten, zu mindern und zu mehren. Der erste Sonntag im Mai ist der politische Höhepunkt für unsere kantonalen Belange. Auch wenn wir als Gemeinschaft von rund 38'000 Einwohnerinnen und Einwohnern eingebettet sind in einen Kranz stattlicher Berge, so sind wir doch nicht abgeschottet von der übrigen Welt. Wir sind Teil davon. Die Finanzkrise, zuerst als Krise des amerikanischen Immobiliensystems geortet und für uns noch weit weg, ist zu einer wahrhaften Weltwirtschaftskrise geworden und hat mittlerweile auch Glarner Exportunternehmen und damit uns alle erreicht. Man darf sich zu Recht fragen, weshalb niemand – keine noch so grossen oder auch kritischen Koryphäen der Finanz- oder Wirtschaftswissenschaft – das Desaster vorausgesagt hat.

Ein Meteorologe hat einmal gesagt, man könne das Wetter voraussagen, aber man könne das Wetter nicht machen. Was unsere Zukunft anbelangt, so ist es genau umgekehrt. Wir alle machen unsere Zukunft, deshalb kann man sie nicht voraussagen. Unsere Zukunft wird von jedem einzelnen von uns mit kleinen und mit grossen Taten oder Unterlassungen beeinflusst. Deshalb gibt es keine gesicherten Zukunftsprognosen. Was wir aber sicher können, ist uns bei unserem Tun auf etwas zu besinnen. Nämlich auf Werte. Jedes Kind weiss, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen. Und man muss nicht Ökonom sein, um zu wissen, dass hohe Renditen immer mit hohem Risiko verbunden sind. Für uns alle ist es stossend, wenn einzelne ein Risiko aus lauter Gier nur auf Dritte verlagern und selber nicht haften.

Die Welt ist aus den Fugen geraten und Ernüchterung greift um sich. Es ist zu hoffen, dass damit auch ein Bewusstseinswandel einher geht und dass folgende Frage wieder an Aktualität gewinnt: «Was ist in meinem Leben wirklich wichtig?» In den letzten Jahren, da in der Finanzindustrie Millionen – ja sogar Milliardengewinne an der Tagesordnung waren, mussten sich diejenigen, die sich für einen anderen Weg entschieden oder gar keine andere Wahl hatten, als blöd oder sogar als Opfer vorkommen. In diesem Sinne hat die Krise auch ihr Gutes.

«Was ist in unserem Leben eigentlich wichtig?» Ich meine, es geht um bekannte schweizerische Werte, die auch uns Glarnerinnen und Glarnern vertraut sind. Sie heissen: Sicherheit, Freiheit, Vertrauen, Masshalten und verlässliche Gemeinschaft.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Die Schweiz steckt mitten in einer Rezession. Die Arbeitslosenzahlen steigen auch bei uns. Immer mehr Glarner Betriebe führen Kurzarbeit ein. In der Schweiz sind wir aber – trotz allem – in einer glücklichen Lage. Zum einen, weil wir ein soziales Auffangnetz haben. Zum anderen sind die Finanzhaushalte der öffentlichen Hand, sei es beim Bund oder sei es beim Kanton, in einer guten Verfassung. Dies darf uns zwar dankbar machen. Wir tun aber gut daran, die Staatsverschuldung auch in der Krise nicht übers Mass anwachsen zu lassen und uns vorzunehmen, nötige Reformen auch in der Krise anzugehen, um künftige Generationen nicht über Gebühr zu belasten.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft prognostiziert, dass sich die Wirtschaft 2010 langsam wieder erholen wird. Im ungünstigen Fall eines auch 2010 anhaltenden Konjunkturrückgangs in den USA und in der EU würde sich die Rezession auch in der Schweiz weiter verschärfen und verlängern.

Auch für unseren Kanton gibt es spezifische Prognosen. Das Bundesamt für Statistik hat prognostiziert, dass alle Kantone – ausser Basel-Stadt, Uri und Glarus – bevölkerungsmässig wachsen. Die Regionalstudie der Credit Suisse vom Februar weist zwar auf sehr viele positive Entwicklungen in unserem Kanton hin. Sie stellt uns aber gleichzeitig allgemein eine unterdurchschnittliche Wachstumsprognose.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Das sind die Prognosen. Davon können wir uns lähmen lassen und resignieren. Oder wir können uns positiv aufmachen. Mit Mut, Mass und dem Willen, unseren Kanton weiter vorwärts zu bringen. Ich habe es eingangs erwähnt: Unsere Zukunft gestalten wir selber. Alle zusammen!

Zuversichtlich darf uns Glarnerinnen und Glarner stimmen, dass wir der Krise nicht nachhinken. Der schlechten Finanzlage des Kantons seit dem Jahr 2002 sind wir mit teilweise schmerzhaften Sparprogrammen begegnet. Das volkswirtschaftlich und finanzpolitisch wichtige Vorhaben «Linthal 2015» kann realisiert werden und hat zu einmaligen Spezialerträgen in unserer Staatsrechnung geführt. Mit der Gemeindestrukturreform hat die Landsgemeinde 2006 überaus mutige Entscheide getroffen, die unseren Kanton für die Zukunft fit machen werden. Drei starke Gemeinden – ein wettbewerbsfähiger Kanton. Niemand konnte davon ausgehen, dass diese grundlegende Reform, die von uns allen Reformbereitschaft abverlangt, ohne Miss- und Zwischentöne über die Bühne gehen würde. Im Glarnerland ist aber Solidarität – auch unter den Gemeinden – ein bekannter Wert. Ebenfalls ein gelebter Wert im Glarnerland ist der Respekt gegenüber unterschiedlichen Meinungen. Das gilt ganz speziell auch für Entscheide der Landsgemeinde. Das Glarner Volk kann sich darauf verlassen, dass Landsgemeindebeschlüsse nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt werden. Ich danke an dieser Stelle allen Behördenvertretern, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Gemeinden und Kanton, Bürgerinnen und Bürgern, die im Gemeindestrukturreformprojekt eine grosse Zusatzarbeit und Überdurschnittliches zu leisten bereit sind. Wir machen unsere Zukunft. Gemeinsam.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Bevor wir uns der Behandlung der diesjährigen Landsgemeindegeschäfte zuwenden, wollen wir noch in Dankbarkeit zweier verstorbener Persönlichkeiten gedenken.

Am 13. Oktober verstarb alt Landammann und Ständerat Hans Meier. Er gehörte dem Regierungsrat von 1966 bis 1986 an, zuerst als Vorsteher der Direktion des Innern, danach als Finanzdirektor. Von 1978 bis 1990 vertrat er unseren Kanton im Ständerat. Bis ins hohe Alter verfolgte er das politische Leben mit Würde, Engagement und Interesse, auch wenn er nicht mit allen Entwicklungen einverstanden war.

Am 12. September ist nach langer Krankheit Landrat Gilberto Guggiari, Bilten, im Amt verstorben. Gilberto wurde 1994 in den Landrat und 2005 zum Landratspräsidenten gewählt. Er zeichnete sich durch vielfältige Lebenserfahrung, Willensstärke, Grosszügigkeit und Verständnis aus. Beeindruckend war, wie er seine Krankheit trug und trotz Schmerzen seine Pflichten in positiver und heiterer Haltung wahrnahm, bis sich sein Lebenskreis schloss.

Wir wollen beiden ein ehrendes Andenken bewahren.

Zugleich steht die heutige Landsgemeinde auch im Zeichen von personellen Veränderungen. Im Oktober hat Nationalrat Werner Marti seinen Rücktritt als Nationalrat auf Ende 2008 erklärt. Werner Marti wurde 1991 in den Nationalrat gewählt. Dort war er Mitglied der Verkehrskommission, deren Vizepräsident er 2005 bis 2007 war, und der Finanzkommission, die er von 2001 bis 2003 präsidierte. Werner Marti hat sich aber nicht nur als versierter Verkehrs- und Finanzpolitiker profiliert. Er fiel auch mit Scharfsinn und Schlagfertigkeit auf. Während acht Jahren war er zudem eidgenössischer Preisüberwacher und wurde immer wieder als Bundesrat gehandelt. Er übernimmt jetzt das Präsidium der Alptransit Gotthard AG. Damit wird einmal mehr ein engagierter Glarner in eine bedeutende Funktion eingesetzt. Wir danken Werner Marti für seine langjährige, vielbeachtete und kompetente Tätigkeit im politischen Ring und wünschen ihm in seiner neuen Aufgabe Erfolg und Befriedigung.

Anstelle von Werner Marti hat das Glarner Volk am 8. Februar Martin Landolt in den Nationalrat gewählt. Auch ihm wünsche ich namens der Landsgemeinde herzlich gutes Gelingen in Bern.

Auf den heutigen Tag hat Verena Kundert-Wichser, Luchsingen, als Verwaltungsrichterin ihren Rücktritt eingereicht. Verena Kundert gehörte dem Verwaltungsgericht seit dessen Schaffung im Jahr 1987 an, zum Schluss als Vizepräsidentin der zweiten Kammer. Wir danken Verena Kundert für die wertvollen Dienste, die sie in dieser Funktion dem Land Glarus geleistet hat.

Als Verhörrichter demissioniert hat Markus Denzler, Schwändi. Er wurde vom Regierungsrat zum Polizeikommandanten und Nachfolger von Daniel Anrig gewählt. Markus Denzler war seit dem Jahr 2002 als Leiter des Verhöramtes des Kantons Glarus tätig. Wir danken Markus Denzler für seine umsichtige Arbeit als Verhörrichter und wünschen ihm in seiner neuen Aufgabe viel Erfolg und Befriedigung.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Das Wetter kann man voraussagen, aber man kann es nicht machen. Was unsere Zukunft anbelangt, so ist es genau umgekehrt. Wir alle machen unsere Zukunft.

Lassen Sie uns bei unserem Tun, beim heutigen Raten, Mindern und Mehren, auf wichtige Werte besinnen. Die Landsgemeinde selber ist ein Wert an sich. Wir haben das Glück, in Freiheit und in Sicherheit als Gemeinschaft über unsere Zukunft zu bestimmen. Unter freiem Himmel. In diesem Sinne bitte ich für Land und Volk von Glarus um den Machtschutz Gottes und erkläre die Landsgemeinde 2009 als eröffnet.