Die Glarner Landsgemeinde, zu der wir uns heute wieder versammelt haben, ist für uns alle ein Privileg: Sie ist das Privileg der direkten Demokratie, die in keinem andern Kanton so stark ausgebaut ist wie bei uns. Die Glarner Landsgemeinde kann zu den Vorlagen der Behörden nicht nur ja und amen oder nein und amen sagen; sie kann dank umfassenden Antragsrechten auch in ihrer eigenen Dynamik einen selbst gestalteten Kurs bestimmen.
Und genau dieses ureigene Recht hat die Landsgemeinde vor Jahresfrist, am 7. Mai 2006, zur Gemeindestrukturreform voll in Anspruch genommen: Sie hat anders entschieden, als Regierung und Landrat es beantragt hatten, sie hat überraschend entschieden, und manche von uns mussten mit dieser Überraschung zuerst fertig werden. Aber auch das gehört zu den direktdemokratischen Spielregeln der Glarner Landsgemeinde: den Entscheid der Mehrheit zu akzeptieren, so, wie er gefallen ist, und ihn vom Landsgemeindemontag an gemeinsam, positiv und zukunftsgerichtet umzusetzen.
Was wir direktdemokratisch beschliessen, das beschliessen wir für uns selber. Wenn es für unseren Kanton zugleich ein positives Signal nach aussen ist, dann umso besser. Denn wir wissen, dass wir noch viel Kraft brauchen, um das Glarnerland in seinem heutigen und künftigen Umfeld günstig zu positionieren. Die Strukturreformen gehören dazu, aber sie sind nur eines von verschiedenen Mitteln zum Zweck.
Wir müssen es darüber hinaus fertig bringen, dass wichtige Projekte auch tatsächlich realisiert werden. Blosse Luftschlösser nützen uns nichts, und Visionen aus dem Elfenbeinturm bestehen ihre Bewährungsprobe erst dann, wenn sie auch mit dem nötigen Gespür in den anforderungsreichen demokratischen Entscheidungsprozess gebracht werden. Umso mehr liegt es an uns allen, dass wir die wirklich ausgereiften und volkswirtschaftlich-finanzpolitisch entscheidenden Vorhaben wie «Linthal 2015» nicht blindlings torpedieren, sondern zum Durchbruch kommen lassen. Wir haben nicht beliebig viele Chancen also nutzen wir jene, die sich uns bieten!
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
sehr verehrte Gäste
Zum Privileg der Landsgemeinde gehört es, dass hier nichts anderes zählt als die Überzeugungskraft der Argumente. Wer stattdessen im Ring das Parteibuch schwingt, macht keinen Eindruck. Mit Befremden sehen wir, wohin die Bundespolitik durch das ideologische Hickhack getrieben wird. Diese Entwicklung wollen wir bei uns nicht. Wer sich zulasten einer Lösung profilieren will oder einfach die Schau abzieht, kommt zum Glück an der Glarner Landsgemeinde nicht gut an.
Tragen wir Sorge zu dieser konstruktiven politischen Kultur! Sie erträgt sehr wohl das offene Wort und den engagierten Meinungsstreit aber bitte auf faire Art und mit dem Willen zu gangbaren Lösungen, für die man auch den guten Kompromiss nicht schlecht machen darf. Und wer das zuwenig lüpfig findet, der ist daran zu erinnern, wie viel Not und Gewalt weltweit auch im letzten Jahr wieder durch starre Fronten, durch sture Rechthaberei und durch handgreiflichen Fundamentalismus angerichtet worden sind.
Hüten wir uns aber zugleich davor, dass wir selber aus unserer komfortablen Situation heraus die überheblichen Weltschiedsrichter spielen und dabei vergessen, um wie viel schwerer es viele Notleidende und weit weniger begünstigte Länder und Völker haben! Wenn wir die enormen Probleme sehen, denen die Weltpolitik gegenüber steht, dann sollten wir zuerst einmal den Beweis antreten, dass wir selber imstande sind, die vergleichsweise überschaubaren Probleme unseres eigenen Kantons überzeugend zu lösen.
Oder wie sollte es denn zwischen verfeindeten Staaten dieser Welt zu einer friedlichen Übereinkunft kommen, wenn wir nur schon Mühe hätten, unter unseren Glarner Gemeinden ohne Wenn und Aber einen freundnachbarlichen Gemeinschaftssinn aufzubauen? Wie wollten wir die globale Bewältigung des drängenden Klimaproblems erwarten, wenn wir uns dazu schon auf kleinstem Raum wieder die sattsam bekannten Grabenkämpfe nach dem Muster der Achtzigerjahre liefern würden? Und auf welche Art sollte denn die Integration gesellschaftlicher Randgruppen und die Bekämpfung von Rechts- und Linksextremismus gelingen, wenn uns dazu nichts anderes einfallen würde, als uns gegenseitig möglichst feindselig auf die Anklagebank zu versetzen?
Fangen wir bei uns selber an! Überlegen wir, wie wir selber nicht nur die Besserwisser spielen, sondern auch ganz persönlich etwas an gemeinsame Lösungen beitragen können! Jeder und jede muss dazu auch, wie wir auf Glarnerdeutsch sagen, «ächlä vor- und naagii»! Dies gilt auch an der heutigen Landsgemeinde, damit wir miteinander auch dieses Jahr zukunftsgerechte Entscheide zustande bringen.
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Auf den heutigen Tag haben drei Mitglieder der kantonalen Gerichtsstäbe aufgrund der verfassungsrechtlichen Bestimmungen ihren Rücktritt eingereicht.
Oberrichter Max Weber, Mollis, stand während insgesamt 21 Jahren im Dienste der glarnerischen Rechtspflege: Von 1986 bis 1990 gehörte er dem damaligen Zivilgericht an, und seit 1990 ist er Mitglied des Obergerichtes, in welchem er in den letzten Jahren das Amt des Vizepräsidenten ausübte.
Kantonsrichterin Doris Jenny, Ennenda, kann bei ihrem Rücktritt sogar auf 25 Jahre als Richterin zurückblicken. Sie wurde 1982 ins Kriminalgericht gewählt. 1990, bei der Neuorganisation der Gerichte, wechselte sie in die zivilrechtliche Abteilung des Kantonsgerichtes, nahm vorerst Einsitz in der ersten Zivilkammer und amtete zuletzt als Vizepräsidentin der zweiten Zivilkammer.
Kantonsrichterin Esther Hollenstein, Näfels, wurde 1994 in die Strafkammer des Kantonsgerichtes gewählt, in der sie während 13 Jahren, zuletzt ebenfalls als Vizepräsidentin, gewirkt hat.
Wir danken Oberrichter Max Weber sowie den Kantonsrichterinnen Doris Jenny und Esther Hollenstein für ihr vorbildliches Wirken im Dienste des Landes Glarus.
Damit empfehle ich Land und Volk von Glarus dem Machtschutz Gottes und erkläre die Landsgemeinde 2007 als eröffnet.
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