Landsgemeinde 2000
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Traktandum 1

Rede LandsgemeinLandammann Gislerde 2000

Hochgeachteter Herr Landesstatthalter
Hochgeachtete Damen und Herren der administrativen und richterlichen Behörden
Hochvertraute, liebe Mitlandleute

Wenn wir Glarner uns am Tage der Landsgemeinde besonders wichtig nehmen und uns im Mittelpunkt der Dinge sehen, dann lässt sich dieses Hochgefühl allein schon aus der historischen Dimension heraus begründen. Die erste urkundlich belegte Landsgemeinde fand 1387 statt. Dokumente über Marchstreitigkeiten, respektive solche über deren Beilegung sprechen jedoch schon 1282 von der "Gemeinschaft der Männer des ganzen Tales Glarus". Vereinbarungen dieser Art wären wohl kaum zustande gekommen, wenn nicht eine Volksversammlung ihr Einverständnis dazu gegeben hätte. Die andauernde Aufrechterhaltung und Ausübung dieser Versammlungsform während mehreren Jahrhunderten darf daher uns, die Versammelten hier im Ring, darf alle Glarnerinnen und Glarner mit Stolz erfüllen.

Freilich, die Themen und Anliegen an der Landsgemeinde haben sich geändert, der Notwendigkeit gehorchend und auch dem Geist der Zeit angepasst. Die Landsgemeinde hat aber die ihr zukommenden Kompetenzen immer selbst bestimmt und geregelt. Der Ablauf ist sicher nicht mehr derselbe wie einst. Gehalten hat sich aber nun seit über 200 Jahren das eher schlichte Zeremoniell, Ausdruck der glarnerischen Nüchternheit. Vielleicht liegt gerade darin mitbegründet, dass die von Regierung und Landrat vorgelegten Geschäfte auch im neuen Jahrtausend einzig und allein an der Landsgemeinde abschliessend entschieden werden. Die Landsgemeinde, in "unserer Welt" ist sie noch möglich. Sie prägt uns und ist damit zu einem Stück Heimat, zu einem Teil unserer Volksseele geworden.

Ohne gravierende Probleme ist auf den 1. Januar die Datumsänderung verlaufen. Die immensen Anstrengungen, welche über Monate im voraus geleistet werden mußten, um ohne Pannen ins neue Jahrtausend gehen zu können, haben gezeigt, wie dominant die Technik in beinahe alle unsere Lebensbereiche einwirkt. Wahrscheinlich wie nie zuvor ist uns dabei auch die Vernetzung des eigenen, persönlichen Bereichs mit weltumspannenden Verbindungen und Anknüpfungen bewusst geworden. Von dieser Warte aus die Welt als Dorf, als überblickbare Grösse, zu betrachten, ist angesichts der immer umfassender werdenden Informations- und Kommunikationsgesellschaft nicht abwegig.
Die Meldungen über Naturereignisse und deren katastrophale Folgen, über Kriegshandlungen und dem damit verbundenen Elend, über Personen und deren Glück, Pech, Können oder Unvermögen erreichen uns tatsächlich beinahe so schnell, wie wenn in unmittelbarer Nachbarschaft ein ungewöhnliches Geschehnis sich ereignet hat.
Die Bezeichnung für diese kleiner gewordene Welt ist uns schon längst geläufig: Globalisierung. Verstanden allein im Sinne des weltweiten, möglichst uneingeschränkten Austausches von Waren ist Globalisierung nichts Neues. Es sind aber nicht mehr nur Güter und Kapital welche verschoben werden und mit denen gehandelt wird. Heute werden ebenso Wissen, Kenntnisse, Fertigkeiten und Informationen ausgetauscht. Ziel internationaler Handelsvereinbarungen ist der Abbau aller den Austausch behindernder Schranken. Wer dabei in der Anpassung des nationalen Rechts nicht mitmacht, engt die eigene Wirtschaft ein und erschwert ihr das Agieren auf den weltweiten Märkten.

In unserem anfangs März veröffentlichten Entwicklungspolitischen Leitbild ist festgehalten, dass nur eine gesunde Volkswirtschaft die solide Basis bilden könne für unseren Kanton. Dies ist zweifellos richtig und gilt so für unser ganzes Land, für jeden Staat. Nur die Marktkräfte wirken zu lassen und auf jegliche staatliche Regulierung zu verzichten, birgt aber Gefahren in sich. Der Staat hat die Regeln so zu fassen, dass deren Wirkung nicht zu einschränkend und wachstumshemmend sind. Er hat dabei aber auch die Interessen aller Bevölkerungsgruppen und aller Landesteile zu beachten, damit alle an einer gutgehenden Wirtschaft teilhaben können. Die Konzentration der Wirtschaft allein auf die Ballungszentren kann uns nicht gleichgültig sein. Die Diskussionen um den Abbau oder, umgekehrt formuliert, um die Aufrechterhaltung der Grundversorgung mit öffentlichen Dienstleistungen in den Bereichen Post, Telekommunikation, Bahn und Energie, bekannt auch als service puplic, betreffen uns als Randregion ganz speziell.

Die Wandlung der Wirtschaft, deren Macht, deren unmittelbare Befindlichkeit haben auf den Staat, haben auf uns alle direkte Auswirkungen. Weder Firmenschliessungen noch das Aufgeben von Produktionsstandorten, weder Firmenverkäufe noch das Eingehen grösserer Allianzen oder das Aufgehen in internationalen Konzernen bleiben spurlos. Glücklicherweise sind die negativen Auswirkungen vielfach auch wieder Ausgangslage zu besseren Wirtschaftszeiten, in denen auch die soziale Verantwortung eigentlich problemlos wahrgenommen werden kann.

Nach einer doch einige Jahre dauernden Rezession sind Schlagzeilen wie: "Es geht aufwärts mit der Schweizer Wirtschaft", "Der Aufschwung geht weiter"; "Markanter Rückgang der Arbeitslosenzahlen" Meldungen mit positiven Auswirkungen. Der Blick in die Zukunft darf optimistischer sein als noch vor fünf Jahren. Was für die Schweiz und für andere Staaten Europas zutrifft, gilt erfreulicherweise auch für unsern Kanton. "Pharma Unternehmen im Aufwind", "High-Tech statt staubiger Fabriken", "Fusion ohne Arbeitsplatzverluste" sind eine kleine Auswahl von Titeln über Berichterstattungen zu glarnerischen Wirtschaftsunternehmen. Auch sie sind Teil einer Verflechtung, nicht allein auf den Kanton und die Schweiz ausgerichtet. Unsere stark exportorientierte Industrie muss den Zugang zu den europäischen Märkten und jenen in Uebersee haben. Die Marktchancen unserer Unternehmungen und damit unsere eigene Wohlfahrt sind mitzubedenken, wenn wir in zwei Wochen Stellung beziehen müssen zu den Bilateralen Verträgen. Obwohl auf drei Seiten von steil aufragenden Bergen umschlossen, von diesen auch geprägt, haben sich Glarnerinnen und Glarner dennoch stets weltoffen gezeigt.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Es ist natürlich nicht nur der Lauf der Wirtschaft, welcher uns in den vergangenen 12 Monaten interessiert und bewegt hat.
Die Neubestellung der eidgenössischen Räte im vergangenen Oktober hat eine veränderte Zusammensetzung unseres nationalen Parlamentes gebracht. Unverkennbar sind seither die Auseinandersetzungen in der nationalen Politik schärfer geworden. Harte, jedoch sachdienliche Gegensätze sind nicht anzuprangern. Reine Stimmungsmache und
bewusste Polarisierung bringen unseren auf Konsens gerichteten Staat aber nicht weiter.
Die Resultate der Eidgenössischen Volksabstimmung vom 12. März haben klar gezeigt, dass extreme Forderungen nicht das sind, was sich eine Mehrheit für die Weiterentwicklung unseres Staates, der staatlichen Organisation und unserer Gesellschaft vorstellt und wünscht.
Die anstehenden grossen Aufgaben wie die Sicherung der Sozialwerke, die Erhaltung und den Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit, die Führung eines geordneten Staatshaushaltes, die Pflege des Bildungs- und Forschungsstandortes Schweiz, Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie die Sicherung des Rechtsstaates können nur geeigneten Lösungen zugeführt werden, wenn von extremen Forderungen und Positionen abgerückt werden kann.

Aussergewöhnliche Naturereignisse haben unser Land und unseren Kanton im vergangenen Jahr auch getroffen. Nach dem grossen Schnee kam das Hochwasser mit Ueberschwemmungen. Kurz vor Ende des Jahres 1999 tobte der Sturm "Lothar" und richtete in weiten Teilen unseres Landes enorme Schäden an. Auch wenn wir uns gewohnt sind, mit der Unbill der Natur zu leben, solch verheerende Wetter sind nie einfach zu bewältigen und zu verkraften.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Den verschiedenen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Trends können sich unsere Gemeinden und unser Kanton auf die Dauer nicht entziehen. Anpassungen sind immer wieder aufs Neue notwendig. Zielsetzung muss jedoch die eigene Stärkung sein. Im einen Fall ist Zusammenarbeit das richtige Mittel, in einem andern das Eingehen auf den Wettbewerb. Verschiedene Geschäfte dieser Landsgemeinde tragen dem Rechnung. Die Aenderung des Konkordates betreffend Technikum für Obst-, Wein- und Gartenbau Wädenswil steht als Beispiel für Zusammenarbeit. Bestimmungen im total revidierten Steuergesetz zeigen das Bemühen um glarnerische Standortvorteile und das Mitmachen im Wettbewerb der Kantone um die günstigsten steuerlichen Bedingungen.

Die Entscheide, welche wir in den kommenden Stunden zu fällen haben, die Beratungen und Beschlüsse an nächsten Landsgemeinden wie zur Verwaltungsorganisation, zu einem neuen Bildungsgesetz, zum Gesundheitsgesetz und zur Umfahrung Glarner Unter- und Mittelland, können, ausgerichtet auf die Interessen der Gesamtheit, zur Stärkung unseres Kantons beitragen.

Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Bevor wir uns der Behandlung der Geschäfte zuwenden, wollen wir uns noch in Dankbarkeit des am 10. Dezember 1999 im 92. Altersjahr verstorbenen David Baumgartner, Engi, erinnern. Als Gemeinderat und Gemeindepräsident, als Richter, während 35 Jahren als Landrat und während 13 Jahren als Nationalrat hat der Verstorbene auf allen unsern staatlichen Ebenen eine breite politische Tätigkeit entfaltet. In erster Linie Verfechter der Anliegen der Arbeiterschaft, besass er aber auch die Grösse die Meinung der anders Denkenden gelten zu lassen. Wir wollen ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Wir haben uns heute zum ersten Male in diesem Jahrtausend zur Landsgemeinde versammelt. Mit sorgsamem, würdigem und überlegtem Verhalten und Umgehen können wir beweisen, dass dieser Institution für Land und Volk ein grosser Wert innewohnt. Wir selber können beweisen, dass wir nicht einer überholten Demokratieform anhängen.

In diesem Sinne und Geist wollen wir zu den anstehenden Traktanden mindern und mehren. Ich empfehle Land und Volk von Glarus dem Machtschutz Gottes und erkläre die Landsgemeinde 2000 als eröffnet.

Darum geht es

Eröffnung

Die Landsgemeinde wird durch den Landammann mit einer Rede eröffnet. Die stimmberechtigten Männer und Frauen werden hierauf den Eid zum Vaterland schwören.

Memorial als pdf-Datei (960 KB)

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