Traktandum 5
Memorialsantrag "Mietrechtsverfahren kostenlos"
Die Landsgemeinde stimmt den Anträgen des Land- und Regierungsrates unverändert zu und lehnt alle Änderungsanträge ab.
Im November 2011 reichte der Mieterinnen- und Mieterverband des Kantons Glarus den Memorialsantrag «Mietrechtsverfahren kostenlos» ein, welcher einen neuen Artikel 19a im Einführungsgesetz vom 2. Mai 2010 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (EG ZPO) fordert. Regierung und Landrat empfehlen, den Antrag abzulehnen. Im Mietrecht ist bei Streitigkeiten zwingend eine paritätisch zusammengesetzte Schlichtungsbehörde anzurufen, ehe vor Gericht Klage eingereicht wird. Die Verfahren vor der Schlichtungsbehörde für Mietverhältnisse (Schlichtungsbehörde) waren und sind kostenlos. Die Schlichtungsbehörde erledigt einen wesentlichen Teil der Streitfälle durch gütliche Einigung effizient und rasch, was Prozesse vermeiden lässt. Die paritätische Zusammensetzung sichert den Schutz der Interessen von Mieterinnen und Mietern. In 152 von 2011 bis Mitte 2012 erledigten Mietrechtsangelegenheiten wurde in nur 25 Fällen eine Klagebewilligung ausgestellt, in 13 Fällen ein Urteilsvorschlag unterbreitet, in 52 Fällen eine Einigung erzielt und 62 Fälle liessen sich anderweitig erledigen. Die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens sind oft wichtiges Argument zu Gunsten einer Einigung; fiele das Kostenrisiko dahin, käme es vermehrt zu gerichtlichen Verfahren. Es würden die Schlichtungsbehörde geschwächt, die Vermietenden sich weniger auf einen Einigungsvorschlag einlassen und so den Mietern einen Prozess aufzwingen, bzw. sich vermehrt auf einen solchen einlassen. Auch unter altem Recht waren die Verfahren vor Gericht keineswegs kostenlos. Die klagende Partei hatte Kostenvorschüsse zu leisten. Das EG ZPO schuf keine neue Hürde, sondern vielmehr wirken sich seine Bestimmungen über die Rollenverteilung vor Gericht hinsichtlich des Kostenvorschusses mieterfreundlich aus. So müssen bei Mietzinserhöhungen die Vermietenden klagen, wenn keine Einigung zustande kommt und sie ihre Forderung durchsetzen wollen. Damit trifft in diesem wichtigen Bereich des Mieterschutzes die Kostenvorschusspflicht stets die Vermietenden. Unterbreitet die Schlichtungsbehörde einen Urteilsvorschlag (Hinterlegung, Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen, Kündigungsschutz, Erstreckung des Mietverhältnisses), kommt die Klägerrolle immer der den Urteilsvorschlag ablehnenden Partei – meist den Vermietenden – zu. Zudem besteht bei mietgerichtlichen Verfahren ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege (Gerichtskosten und Rechtsbeistand), was finanziell Bedürftigen den Zugang zum Gericht öffnet. Viele Mieterinnen und Mieter verfügen zudem über eine Rechtsschutzversicherung für mietrechtliche Angelegenheiten, welche die Verfahrenskosten, inkl. Anwaltskosten, übernimmt. – Dem Mieterschutz tragen die geltenden Regelungen ausreichend Rechnung. Im Landrat wurde der Memorialsantrag einzig von Seiten der Antragstellenden verfochten. Die grosse Mehrheit stellte sich hinter den Ablehnungsantrag von Regierungsrat und vorberatender Kommission.
- Yannick Schiess
- Rüti
Yannick Schiess unterstützt den Antrag im Namen von Mieterverband und Juso. Die hohen Vorschüsse für Mietrechtsverfahren seien abschreckend für Mieter, hinderten sie, ihre Rechte einzufordern. Der Vermieter sei im Normalfall finanziell stärker als der Mieter. Die Mieter könnten sich einen Rechtsstreit oft nicht leisten. Nur gerade 15 Prozent zögen vor Gericht. Schiess betont, dass niemand vor Gericht gehe, wenn vor der Schlichtungsstelle ein fairer Kompromiss erzielt werde.
- Erich Wettstein
- Netstal
Erich Wettstein kennt die Arbeit der Schlichtungsstelle, da er früher selbst dafür tätig war. Mit einem Vergleich vor der Schlichtungsstelle könnten Streitigkeiten erledigt werden, sagt er. Wenn der Prozess ebenfalls kostenfrei wäre, würden die meisten Mieter keinen Vergleich mehr eingehen, sondern es vor Gericht «darauf ankommen» lassen. Der Memorialsantrag schaffe Mehrkosten für den Kanton und mehr Arbeit für die überlasteten Gerichte. Er betont, dass es in beider Interesse liege, Streitfälle rasch zu erledigen. Alter Streit sei Gift fürs Herz.
- Jacques Marti
- Sool
Jacques Marti schlägt namens der SP einen Kompromiss vor. Neu werden in dem Vorschlag auch Pachtverhältnisse aufgenommen, auf der anderen Seite müssen jedoch Verfahren mit Streitwerten über 30 000 Franken selber getragen werden. Er betont, dass die Mieter bei Streitigkeiten im Nachteil seien, dass sie nur einen Zahnstocher in der Hand hielten, währendem der Vermieter einen Spiess habe. Mit dem Kompromiss wolle man beiden gleich lange Spiesse geben.
- Markus Beglinger
- Glarus
Markus Beglinger stellt sich im Namen der BDP gegen den Memorialsantrag und den Vorschlag der SP. Das heutige System funktioniere sehr gut, der grösste Teil der Streitigkeiten könne gütlich geinigt werden. Er sei dagegen, dass der Steuerzahler für die Gerichtskosten aufkommen müsse. Er betont, dass Personen mit geringen Einkommen unentgeltliche Rechtsführung beanspruchen könnten.
- Markus Rhyner
- Elm
Markus Rhyner betont namens des Mieterverbands, dass Mieter mit kleinen finanziellen Mitteln Einigungen mit grossen Nachteilen für sie schlucken müssten, da sie ein Verfahren nicht finanzieren können. Die Schlichtungsbehörde alleine reiche da auf keinen Fall. Er ist der Ansicht, dass mit der Gesetzesänderung die Mietrechtsfälle nicht zunehmen würden. Im Arbeitsrecht kenne man schon lange eine solche Regelung, da gäbe es auch nicht enorm viele Fälle. Er rechnet vor, dass die Mehrkosten sehr gering sein würden.
- Mathias Zopfi
- Kommissionspräsident, Engi
Kommissionspräsident Mathias Zopfi sagt, dass der Vergleich mit dem Arbeitsrecht, den sein Vorredner gezogen habe, nicht «verdhebbt». Dort gebe es keine vergleichbare Schlichtungsstelle. Während im Mietrecht etwa 15 Prozent der Fälle vor Gericht landeten, seien es im Arbeitsrecht 60 Prozent. Zopfi betont, dass die Kostenvorschüsse in den meisten Fällen unter 1000 Franken betragen würden, Streitwerte unter 30 000 Franken seien die Regel. Es gebe keinen Grund, um für einen zusätzlichen Schutz zu bezahlen. Er empfiehlt Memorialsantrag und Abänderungsantrag zur Ablehnung.
- Marianne Dürst Benedetti
- Regierungsrätin, Glarus
Regierungsrätin Marianne Dürst Benedetti verweist in ihrer kurzen Rede darauf, dass nur gerade drei Kantone in der Schweiz kostenlose Mietrechtsverfahren kennen würden. Es seien dies Genf, Freiburg und Waadt. Diese Kantone hätten alle einen sehr tiefen Leerwohnungsbestand, Glarus sei da am anderen Ende der Skala. Kostenlose Mietrechtsverfahren seien im Kanton Glarus nicht nötig, private Streitigkeiten sollten nicht vom Steuerzahler berappt werden.