Traktandum 1
Eröffnung der Landsgemeinde
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Die Landsgemeinde wird durch den Landammann eröffnet. Die stimmberechtigten Männer und Frauen werden hierauf den Eid zum Vaterland schwören.
Hochgeachteter Herr Landesstatthalter Hochgeachtete Damen und Herren der administrativen und richterlichen Behörden Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Zum fünften Mal habe ich heute die angenehme Pflicht, Sie hier im Ring zur Landsgemeinde des Kantons Glarus zu begrüssen und willkommen zu heissen. Einmal mehr sind wir als stimmberechtigte Glarnerinnen und Glarner aufgerufen, gemeinsam die grundlegenden Entscheidungen unserer Kantonalpolitik zu treffen. Manche dieser Entscheidungen werden wir wohl auch heute einvernehmlich treffen. Dort hingegen, wo unterschiedliche Meinungen aufeinander treffen, sind wir es gewohnt, bei aller inhaltlichen Leidenschaft fair miteinander umzugehen und uns am Ende der demokratischen Mehrheit mit Respekt zu unterziehen. Die internationalen Turbulenzen der vergangenen Monate – mit dem Kampf unterdrückter Völker um ihre Selbstbestimmung – haben uns erneut vor Augen geführt, welch unschätzbare Werte wir mit unserer politischen Freiheit und direkten Demokratie besitzen. Tragen wir Sorge zu diesen Werten – und machen wir von ihnen einen engagierten und verantwortungsvollen Gebrauch! Und seien wir auch dankbar dafür, dass die Probleme, die wir zu lösen haben, trotz all ihrer Ernsthaftigkeit nicht zu vergleichen sind mit den verheerenden Katastrophen, von denen in Japan – und nicht nur dort allein – Tausende und Abertausende von Menschen heimgesucht worden sind; all diesen Menschen gilt auch hier und in dieser Stunde unsere aufrichtige Anteilnahme. Zugleich haben wir von neuem drastisch erkennen müssen, wie unmittelbar wir mit globalen Herausforderungen konfrontiert sind, denen sich auch unsere nationale Politik ohne bequemes Ausweichen stellen muss.
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Der Kanton Glarus hat in den letzten Jahren durch Entscheide seiner Landsgemeindedemokratie eine grundlegende strukturelle Erneuerung vollzogen. Noch stehen wir – im Jahr 1 der neuen Gemeinden – in einer anspruchsvollen Konsolidierungsphase. Wir sind dabei angewiesen auf den allseitigen Willen, auch die noch verbliebenen Startfragen in einem Geist des konstruktiven Miteinanders zu lösen.
Wir müssen uns dabei auch eingestehen, dass die verfügbaren Kräfte und Mittel sowohl bei den Gemeinden als auch beim Kanton begrenzt sind. Nicht alles Wünschbare lässt sich mit diesen begrenzten Kräften jeweils subito und auf perfektionistische Art bewältigen – es müssen Prioritäten gesetzt und zuweilen auch Behelfsmässigkeiten in Kauf genommen werden, obschon dies Leute mit einer maximalistischen Erwartungshaltung nicht begreifen können: Sie wollen alles sofort und alles auf vollkommene Art und vergessen dabei, dass die personellen und materiellen Ressourcen in unseren kleinen Verhältnissen dies nicht zulassen. Dies umso weniger, als wir es bei wichtigen Fragen oft mit auseinanderstrebenden Positionen zu tun haben, die sich nicht mit einem blossen Federstrich in Einklang bringen lassen. Der Kraftakt des fast revolutionär anmutenden Wiederaufbaus von Glarus, wie er vor 150 Jahren nach dem verheerenden Brand gemeistert wurde, erscheint uns aus heutiger Sicht fast unglaublich – und in der Tat war er nur möglich durch einen klaren Vorrang der Gesamtinteressen über die Einzelinteressen, wie er wohl heutzutage – leider! – nur noch schwerlich zu erzielen wäre.
Umso höher sind jene Resultate zu werten, die wir trotz begrenzten Mitteln auch heute und morgen dank gemeinsamer Einsicht und Entschlossenheit aus eigener Kraft erzielen können. Mit der Gemeindereform – und nicht nur mit ihr allein – hat der Kanton Glarus bewiesen, dass er selber, aus eigener Initiative, für eine zukunftsfähige Basis seiner politischen und volkswirtschaftlichen Existenz kämpft.
Es ist nicht so, wie aus den städtischen Agglomerationen heraus zuweilen behauptet wird: dass sich nämlich kleine Bergkantone wie Glarus einfach auf einen bequemen Ressourcentransfer aus den potenten Ballungsräumen verlassen würden. Den gegenteiligen Tatbeweis haben wir erbracht und werden ihn auch weiterhin erbringen. Was wir aber von Bundesbern mit guten Gründen erwarten, ist eine nationale Politik, die auch den peripheren Regionen Rechnung trägt, sie in ihren eigenen Anstrengungen unterstützt und ihnen nicht auf mutwillige Art Steine in den Weg legt. Dazu gehört insbesondere auch, dass die Siedlungs- und Mobilitätsprobleme der Agglomerationen nicht auf dem Buckel der ländlichen Gebiete gelöst werden. Die entlegeneren Regionen sollen nicht für die Sündenfälle der städtischen und vorstädtischen Zonen büssen müssen, indem man unsere Erreichbarkeit künstlich erschweren würde. Die Schweiz als Ganzes hat ein Interesse daran, auch die selbstbestimmte Entwicklungsfähigkeit ihrer weniger dominanten Landesteile zu stärken und jedenfalls nicht zu behindern.
Uns selber aber – hochvertraute, liebe Mitlandleute – obliegt es, unsere eigenen Spielräume zu nutzen und neue Projekte konstruktiv voranzutreiben, statt sie zum vornherein mit einer Fülle von Wenn und Aber zu gefährden. Es geht dabei nicht um eine unkritische Haltung allem und jedem gegenüber, aber es geht um unsere Grundeinstellung: Unser Kanton braucht, um seine Infrastruktur und seinen Service public aufrechterhalten und optimieren zu können, die nötige wirtschaftliche Basis, und dafür wiederum ist auch unsere Offenheit und Aufgeschlossenheit gegenüber privater Initiative nötig. Wir können es uns nicht leisten, unternehmerische Impulse zu verschmähen, welche auch die unverzichtbare Grundlage bilden für die Finanzierung unserer öffentlichen Leistungsangebote. Zuerst die Chancen sehen und nicht immer ausschliesslich die Vorbehalte – das muss unsere Devise sein.
Auch an der heutigen Landsgemeinde haben wir Gelegenheit, diese Haltung zu dokumentieren. Wichtig ist dabei auch, dass wir den nötigen Sinn für das Machbare an den Tag legen, für die richtigen Relationen bei unseren staatlichen Aktivitäten. Das bedeutet, dass wir nicht in einzelnen Bereichen das Maximum wollen können, sondern für einen ausgeglichenen Einsatz der verfügbaren Mittel sorgen müssen.
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
An der heutigen Landsgemeinde haben wir auch wichtige Ersatzwahlen für unsere kantonale Justiz vorzunehmen. Nach 24-jähriger Amtszeit hat Dr. Peter Balmer, Luchsingen, seinen Rücktritt als Präsident des Verwaltungsgerichtes eingereicht. Peter Balmer ist der eigentliche Pionier der glarnerischen Verwaltungsrechtspflege, der 1987 vom Volk mit dem Vorsitz des damals neugeschaffenen Gerichtsstabes betraut wurde. Mit grosser Umsicht und Fachkenntnis, Schaffenskraft und Gründlichkeit hat er seither das Verwaltungsgericht präsidiert und dabei die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Justiz stets mit Nachdruck bekräftigt. Wo er den Grundsatz der Gewaltenteilung gefährdet sah, da hat er sich nie gescheut, dies gegenüber «dem Rathaus», wie man zu sagen pflegt, geltend zu machen, und auch dafür verdient er – mag es für ihn und für uns mitunter auch unbequem gewesen sein – am heutigen Tag den Respekt der glarnerischen Öffentlichkeit.
Ebenfalls auf die heutige Landsgemeinde hat lic. iur. Marco Giovanoli, Ennenda, als Präsident des Kantonsgerichtes demissioniert. Marco Giovanoli war bereits 1977 vom Obergericht aufgrund einer Ermächtigung der Landsgemeinde desselben Jahres zum Verhörrichter gewählt worden, steht nun also seit nicht weniger als 34 Jahren im Dienste der glarnerischen Rechtspflege. An der Landsgemeinde 1990 wurde er dann zu einem der beiden Kantonsgerichtspräsidenten erkoren, die damals aufgrund der neuen Justizorganisation die Führung der erstinstanzlichen Gerichtsbarkeit übernahmen. Sowohl im strafrechtlichen wie auch im zivilrechtlichen Bereich hat Marco Giovanoli in den seitherigen 21 Jahren versiert und mit grossem, sachkundigem Engagement seine präsidialen Funktionen ausgeübt. Beiden scheidenden Gerichtspräsidenten verdanken wir an dieser Stelle ganz herzlich ihre langjährige hervorragende Tätigkeit für Land und Volk, und wir entbieten ihnen für den kommenden Lebensabschnitt unsere besten Wünsche.
Ihren Rücktritt hat auf die heutige Landsgemeinde auch Verwaltungsrichterin Susanne Zobrist-Trümpy, Mollis, erklärt. Sie gehörte diesem Gerichtsstab seit 1999 an und amtete zuletzt als Vizepräsidentin der zweiten Kammer. Auch ihr gilt heute der verdiente Dank des Landes für ihr zwölfjähriges engagiertes Wirken im Dienste der glarnerischen Verwaltungsrechtspflege.
Und nun hoffen wir, dass es uns auch heute gelingt, die traktandierten Wahl- und Sachgeschäfte zum Nutzen und Gedeihen unseres Kantons zu treffen. In diesem Sinne stelle ich Land und Volk von Glarus unter den Machtschutz Gottes und erkläre die ordentliche Landsgemeinde 2011 als eröffnet.