Traktandum 1
Eröffnung der Landsgemeinde
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Die Landsgemeinde wird durch den Landammann eröffnet. Die stimmberechtigten Männer und Frauen werden hierauf den Eid zum Vaterland schwören.
Hochgeachteter Herr Landesstatthalter Hochgeachtete Damen und Herren der administrativen und richterlichen Behörden Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Ich begrüsse Sie herzlich zur diesjährigen Landsgemeinde!
Auch heute hat sich das Glarner Volk wieder versammelt, um unter freiem Himmel zu raten, zu mindern und zu mehren. Anno 1387 wurde unsere Landsgemeinde erstmals urkundlich erwähnt. Das heisst, seit mindestens 623 Jahren versammeln sich die Glarner, um die direkteste Form der Demokratie zu praktizieren.
Einigen mag das als alter Zopf erscheinen. Anderen als kantonale Nabelschau. Die Möglichkeit, als kantonale Gemeinschaft zusammenzutreten und miteinander über kantonale Belange zu debattieren und zu entscheiden, mag in einer globalisierten Welt in der Tat beschaulich wirken. Aber wissen Sie was? Es ist gut so.
In den letzten Monaten bebte die Erde da und dort und brachte unsägliches Leid für viele Menschen. Ein Vulkan legte den internationalen Flugverkehr lahm. Diese Naturgewalten haben uns vor Augen geführt, wie verletzlich die vernetzte Welt sein kann. Andere Eruptionen, nämlich solche auf den internationalen Finanzmärkten – veranlasst durch Exzesse in der Finanzbranche und in der Geldpolitik einzelner Nationen – haben Volkswirtschaften ganzer Länder an den Abgrund geführt. Sie zeigen uns die Abhängigkeiten in der globalisierten Welt noch viel krasser auf. Auch unsere Wirtschaft war betroffen – und mit ihr auch wir. Einzelne von Ihnen vielleicht ganz persönlich, indem Sie Arbeit oder erspartes Geld verloren haben. Diese Krise scheint wirtschaftlich zum Glück weitgehend überwunden. Politisch und gesellschaftlich ausgestanden ist sie aber noch nicht.
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Hat die Welt mit Krisen zu kämpfen, wird immer auch von einer Krise der Werte gesprochen. Aber von welchen Werten?
Diese Frage bringt mich zu unserer über 623-jährigen Tradition zurück: Zur Landsgemeinde. Vor Kurzem hat mich ein Journalist gefragt, was die Landsgemeinde für mich bedeute. An der Landsgemeinde erlebe ich unseren Kanton als Gemeinschaft. Die Landsgemeinde bedeutet für mich zuallererst Freiheit. Die Freiheit, seine Meinung öffentlich kundzutun, und die Freiheit, über unsere Belange mit der eigenen Stimme mitzuentscheiden. Und dies sogar durch offenes Handerheben, also dem Recht und der Pflicht, offen zu seiner Meinung zu stehen.
Freiheit, liebe Glarnerinnen und Glarner, muss aber immer gepaart sein mit gegenseitigem Respekt, mit gegenseitiger Rücksichtnahme und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Freiheit ohne Verantwortung gibt es nicht. Und damit sind wir beim zweiten Wert, der für mich die Landsgemeinde charakterisiert: Verantwortung. Verantwortung für sich selbst und für seine Handlungen. Aber auch Verantwortung füreinander. Nur so funktioniert eine Gemeinschaft. Wenn ich lese und höre, wie es in der Lohnpolitik einer Branche weitergeht, die für die Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht wird, dann sage ich es ganz offen: «Etwas mehr Bodenhaftung, wie sie unsere Glarner Landsgemeinde vermittelt, würde manchem gut tun!»
Schauen Sie in die Runde. Ist das ein alter Zopf oder eine kantonale Nabelschau?
Der Unternehmer steht neben der Arbeiterin. Der Bauer neben der Studentin. Jung und Alt stehen Schulter an Schulter im Ring. Wenn wir uns vielleicht ab und zu ohnmächtig fühlen vor dem Weltgeschehen oder dem Gebaren Einzelner, so ist es doch nur gut, sich darauf zu besinnen, dass Verantwortung im Kleinen beginnt. Und dass es gut ist, das greifbare Kleine als etwas Wichtiges zu pflegen. Und so ist unsere Landsgemeinde ein besonderer Wert, zu dem wir Sorge tragen müssen. Sie ist etwas Besonderes.
Die diesjährige Landsgemeinde, hochvertraute, liebe Mitlandleute, ist sogar etwas ganz Besonderes. Nicht wegen der langen Traktandenliste, sondern weil es die letzte Landsgemeinde ist, bei der sich Glarnerinnen und Glarner aus 25 Ortsgemeinden hier auf dem Zaunplatz versammeln. Unsere Landsgemeinde 2006 und eindrücklich die ausserordentliche Landsgemeinde 2007 haben das wohl schweizweit spektakulärste Gemeindefusionsprojekt beschlossen: die Bildung von drei Gemeinden in unserem Kanton auf den 1. Januar 2011.
Vieles ist bereits aufgegleist. Wir haben das Sozial- und Vormundschaftswesen kantonalisiert. Wir haben Aufgaben entflochten und damit Kanton und Gemeinden in ihrer Verantwortung gestärkt. Wir haben ein gemeinsames Finanzhaushaltsgesetz für Kanton und Gemeinden beschlossen, das die Vergleichbarkeit unter den Gemeinden und zum Kanton fördert und auch eine bessere Steuerung der Finanzen erlaubt. Wir haben miteinander das Bildungswesen reformiert. Und heute geht es um den letzten konsequenten Schritt hin zu drei starken Gemeinden für einen wettbewerbsfähigen Kanton, nämlich um den Finanzausgleich 2011. Es ist gut zu wissen, dass in unserem Kanton drei in etwa gleich starke Gemeinden entstehen, die die Kraft haben, die Zukunft in ihren Huben zu gestalten.
All das, hochvertraute, liebe Mitlandleute, hört sich technokratisch an. Dahinter stehen aber Menschen. Direkt Betroffene wie Behördenmitglieder oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gemeinden und Kanton. Bürgerinnen und Bürger auch, die gar keine Veränderung wollten. Ein Weg der Veränderung ist immer mit zahlreichen Schwierigkeiten gepflastert. Es gehört aber zum Wesen der Verantwortung, dass man damit verbundene Konflikte austrägt und diese auch aushält. Ich für meinen Teil bin auf jeden Fall froh, dass Sie uns nicht mehr als viereinhalb Jahre Zeit für diese Herkulesaufgabe gegeben haben. Wir sind auf der Zielgeraden. Darauf dürfen wir stolz sein! Ich danke allen herzlich, die dazu mit kritischer oder aufbauender Stimme und Mitarbeit ihren Anteil geleistet haben.
Mit der beschlossenen Veränderung hin zu drei starken Gemeinden hat die Landsgemeinde kraftvoll bewiesen, dass sie alles andere als ein alter Zopf ist. Heisst doch Gemeinschaft zu erhalten, sie nicht zu mumifizieren, sondern eben zu erneuern.
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Auf diese Landsgemeinde hat Regierungsrat Jakob Kamm seinen Rücktritt erklärt. Jakob Kamm blickt auf 32 Jahre politische Tätigkeit zurück. Sie begann 1978 im Schulrat Mollis. Danach war er acht Jahre lang Landrat, bis er 1994 in den Regierungsrat gewählt wurde. Damit, so seine Worte, wurde er «vom Ingenieur zum Berufspolitiker». Während zehn Jahren war er Landwirtschafts-, Forst- und Umweltdirektor, seit 2004 unterstanden ihm Bildung und Kultur. In den vier Jahren, in denen er als Landammann amtete, wurde unter seiner Leitung die neue Verwaltung mit nur noch fünf Departementen eingeführt. Dies geschah in einer finanziell schwierigen Zeit, in der ein Sparpaket dem andern folgte und 26 Stellen abgebaut werden mussten. Mitgetragen und mitgestaltet hat «Schaagg» auch die Gemeindestrukturreform, welche das Bildungswesen völlig umgestaltet. – In seinem Rücktrittsschreiben hebt er die Landsgemeinde besonders hervor: Ihr vorzustehen und sie leiten zu dürfen, sei wohl das Grösste, was ein Politiker erleben könne. Ich kann ihm nur beipflichten und danke Jakob Kamm im Namen des Glarner Volkes für den grossen Einsatz während seiner 16-jährigen Tätigkeit im Regierungsrat zum Wohle von Land und Volk von Glarus. Lieber «Schaagg» wir wünschen Dir für Deine Zukunft alles Gute!
Mit Jakob Kamm verlieren wir einen überlegten Politiker und einen lieben Kollegen, doch wir gewinnen Christine Bickel, die neu unser Team ergänzen wird. Liebe Christine, sei herzlich willkommen!
Die Landsgemeinde wird weiter drei Mitglieder der Gerichtsstäbe zu wählen haben. Verwaltungsrichter Christoph Fischli ist im Amt und im Alter von erst 46 Jahren unvermittelt verstorben. Er wurde an der Landsgemeinde 2002 ins Verwaltungsgericht gewählt. Vor seiner Wahl war er Ersatzmitglied der Steuerrekurskommission. Er gehörte als Richter der I. Kammer des Verwaltungsgerichts an.
Kantonsrichter Hans Rudolf Zweifel wurde 1987 in das damalige Augenscheingericht gewählt und gehörte danach ab 1990 dem neu geschaffenen Kantonsgericht an. Er war in dessen beiden Zivilkammern und zudem als Ersatzrichter in der Strafkammer des Obergerichts tätig.
Kantonsrichter Jürg Rüegg wurde 1995 in die Zivilabteilung des Kantonsgerichts gewählt. Auch er wirkte in beiden Zivilkammern mit, zuletzt als Mitglied der ersten Kammer. Wir bewahren Christoph Fischli ein ehrendes Andenken und danken den beiden altershalber als Kantonsrichter Zurückgetretenen für ihr Wirken im Dienste unserer Rechtsprechung.
In Dankbarkeit erinnern wir uns aber auch an den am 29. Dezember 2009 im 88. Lebensjahr verstorbenen alt Regierungsrat Emil Fischli. Nach sechs Jahren Mitgliedschaft im Landrat gehörte er von 1974 bis 1990 dem Regierungsrat als Polizei- und Militärdirektor an. Vieles erinnert immer noch an ihn und seine engagierte Arbeit zu Gunsten unseres Kantons. So prägte er die Bereiche Polizei – mit Bezug des Mercierhauses als Hauptstützpunkt –, Militär – Waffenplätze Wichlen und Walenberg – und Zivilschutz, den er massgeblich mit aufbaute. Zudem wirkte er als Präsident der schweizerischen Sport-Toto- und Lotto-Gesellschaft sowie als Verwaltungsrat der Kraftwerke Linth-Limmern AG. Auch nach seinem Rücktritt nahm er noch lange aktiv am politischen Geschehen teil. Wir wollen auch ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Ich stehe heute zum letzten Mal als Frau Landammann in diesem Ring. Es war mir eine Ehre, als erste Frau die Glarner Landsgemeinde führen und diesem Kanton während zwei Jahren vorstehen zu dürfen. Es waren zwei intensive, spannende und lehrreiche Jahre, voller interessanter Begegnungen und unvergesslicher Momente.
Vor zwei Jahren hat Robert Marti an dieser Stelle gesagt, dass er gerne Platz macht für die allererste Frau Landammann. Damals wusste er noch nicht, dass es nur zwei Jahre dauern wird, bis er wieder hier oben steht. Im nächsten Jahr wird er die erste Landsgemeinde im neuen Glarnerland eröffnen. Ich wünsche ihm für die kommende Amtsperiode alles Gute!
Hochvertraute, liebe Mitlandleute
Lassen Sie uns jetzt raten, mindern und mehren. In Freiheit und Verantwortung.
Ich bitte für Land und Volk von Glarus um den Machtschutz Gottes und erkläre die Landsgemeinde 2010 als eröffnet.